Nie gehörte Klangwelten
Eine alte Dame war es, die nach einem Konzert von Violet Cab sagte: "Heute habe ich Musik in hundert Jahren gehört..."
Was sie erlebt hatte, war tatsächlich Un-Erhörtes: eine Viola (18. Jh.), ein Keyboard und eine digitale Maschine, symbiotisch verschmolzen zu einem klanggenerierenden Gesamtwesen, zu einer neuen Form elektronisch-digitaler Live-Improvisation.
In völliger Freiheit von vorgegebener Struktur, Harmonie, Tonalität oder Metrik entsteht hier Musik, die jedesmal neu und so nie wiederholbar ist. Was die Lautsprecher senden, besteht ausschließlich aus dem Klangmaterial der Viola, das im Moment seines Entstehens durch den Keyboarder in virtuosem Handling hochkomplexer digitaler Elektronik verarbeitet wird.
Der Klang entsteht nur durch die gleichzeitige Aktion beider Musiker. Die vielschichtigen Klangprozesse sind dabei oft nur indirekt steuerbar. Sie verlangen von den Musikern eine absolute Versenkung in das gemeinsam mit der Maschine generierte Musikgeschehen.
Diese Musik stellt sie immer wieder vor neue, kaum vorhersehbare Herausforderungen, die sie in extrem verkürzter Reaktionszeit und in gegenseitiger Interdependenz verarbeiten. Jede Intention des einen Musikers bricht sich dabei an der des anderen.
Was dabei für die Musiker selbst neuartig ist: Sie unterliegen nicht der Gefahr, die emotionale Macht improvisierter Musik durch ein bewusstes Steuern ihrer Mittel zu manipulieren, sondern behalten ihre "Unschuld" als ebenfalls von der Musik Ge- und Betroffene.
Vom Zuhörer wie von den Akteuren verlangt diese Musik völlig erwartungsfreies Hineinfallen-Lassen. Was sie dafür erleben, reicht von feinsten Klanggespinsten bis zu Klanggewittern von gnadenloser Brutalität. Schwirrende Klangwolken scheinen sich in Klangstaub aufzulösen, Räume von unendlicher Weite schimmern auf, drohende Abgründe brechen herein, aber auch wilde, faszinierende Schönheiten, atemberaubend-ungehörte Klänge werfen uns in Urzeiten zurück oder in Lichtjahre entfernte galaktische Visionen - süchtig kann man werden danach - wenn Stanley Kubrick das gehört hätte, damals, bei 2001...
Es überrascht nicht, dass der Dirigent Kent Nagano seine erste Violet-Cab-CD sofort an seinen Freund, Prof. Tod Machover am MIT MediaLab (Massachusetts Institute of Technology) weiterleitete.
Musical Ideas without given framework
It happens very rarely that musical partners from completely different musical backgrounds find a common language and excitement in improvised music. But this is the case for the duo of Gunter Pretzel and Michael Feller who come from a classical and rock/electronic background respectively.
Their combination of viola and live electronic processing has managed to overcome the idea of linear music where the viola leads and the electronics provide a tail. They have entered a sphere where common musical ideas can be expressed without a given framework, both capable of intuitive action and reaction that leads to instant composition.
Their music is powerful and moving and should be experienced live.
Michael Feller
Seit 1967 Keyboarder in verschiedenen Pop- und Rockgruppen, u.a. 1973 Mitglied der Gruppe Amon Düüll II. 1974 Ausbildung zum Toningenieur am Robert-Schumann-Institut in Düsseldorf. 1976 Assistent am Studio für elektronische Musik der Kompositionsklasse Günther Becker, Realisierung verschiedener live-elektronischer Projekte im In- und Ausland. 1978-1994 Entwicklung von Computer-Hard- und Software, zunächst für musikalische, später für industrielle Anwendungen im eigenen Unternehmen. Seit 1996 wieder eigenes Tonstudio in München als Producer und Musiker.
Gunter Pretzel
Violinstudium in Hamburg und Berlin (Sachko Gawriloff, Bruno Giuranna), Stipendiat der "Studienstiftung des deutschen Volkes". 1981 Solobratschist des Münchner Kammerorchesters. Seit 1984 Mitglied der Münchner Philharmoniker. Zusätzlich seit 1989 Mitglied des Debussy-Trio München. Zahlreiche Auftritte als Solist und Kammermusiker, Rundfunk- und CD-Produktionen sowie Realisierung eigener musikalischer Projekte mit Schwerpunkt Neue Musik. In letzter Zeit intensive Beschäftigung mit freier und improvisierter Musik als Soloprojekt peltzer-pv.